Qualitätssicherheit und Fehlerkultur: Das kann die Medizin von der Luftfahrt lernen!​

Laut Captain Mark Roth ist es die „psychologisch sichere Umgebung, die wir unseren Kolleginnen und Kollegen schulden“, damit mögliche Fehler angesprochen und in der Folge vermieden werden. „In der arbeitsteiligen Welt passieren viele Fehler um uns herum, die wir vermeiden könnten, wenn das ganze Team in die Fehlerkultur hineingezogen würde.“ Dem Zusammenhang zwischen Qualität und Kommunikation stimmen PD Dr. Ralf Müller-Rath und Dr. Benjamin Weinkauf zu, auch wenn man nicht alles eins zu eins übernehmen kann in die Medizin. Worauf kommt es noch (mehr) an?

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Lunchsymposium – Arthroscopic Knee Surgery 

Vor 30 JAHREN konnten dank T-FIX erstmals meniskuserhaltende Prozeduren mit einer All-Inside-Technik durchgeführt werden: Was bedeutet dies für Patienten? Dr. Richard Glaab stellt die Anfänge und Entwicklung der Knie-Arthroskopie dar und Prof. Sven Scheffler leitet über in die Entwicklung des Umgangs mit Meniskusrissen. In einer spannenden Round Table Discussion geht Profi-Basketballspieler Ervin Cogo dazu auf seine ganz persönliche Erfahrung mit der Verletzung am Meniskus und die damit verbundene Operation und Rückkehr in den Leistungssport ein:

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Qualitätssicherung mittels DART

Wenn wir über Qualität in der Medizin reden, "müssen wir ja mit denen reden, die das Ganze betrifft. Das sind die Patienten. Wir sollten das möglichst ungebiased machen und das tun wir am besten, wenn wir sie in einem Register befragen“, so PD Dr. Ralf Müller-Rath.

Gegründet von der AGA, BVSKA und GOTS hat sich das deutschsprachige Arthroskopie-Register inzwischen als Plattform für verschiedene Registeransätze weiterentwickelt: Arthroskopie, Gelenkersatzmodul, Knorpelregister, Osteotomie und auch konservative Behandlungen sind integriert, so PD Dr. Ralf Müller-Rath. Die Patientenanlage sei simpel und binde den Patienten gleich mit ein: über einen Email-Link sind Fragen zur Person (Größe, Gewicht, Alter etc.) und zum operierten Gelenk zu beantworten (prä-und postoperativ und zur Vorbehandlung). Am Bespiel der Kniearthroskopie stellt PD Dr. Ralf Müller-Rath die Auswertung aller registrierter Patienten dar. 88,7% waren konservativ vorbehandelt. Spannend sei auch die Frage, ob der Patient in die Entscheidungsfindung (OP vs. Konservative Versorgung) eingebunden war: das Bejahen 95%. Postoperativ liege die Zufriedenheit bei 7.76 von 10. Da der Begriff „Komplikation“ nicht genau definiert ist, seien möglicherweise bei den Antworten auch Gefühlsaussagen dabei. Dennoch bei 10% aller Patienten, die nach 6 Monaten sagen „ich begreife meinen postoperativen Verlauf als komplikationsbehaftet“ sieht PD Dr. Ralf Müller-Rath hier einen Bereich, in dem „wir etwas zu verbessern haben“. Insgesamt seien die Auswertungen und ersten Erkenntnisse aus dem DART vielversprechend. Sein Fazit: „DART ist ein super Tool für die Ergebnisqualitätssicherung, aber auch für die Prozessqualitäts-sicherung beim Thema Aufklärung oder wo wir die Patienten abholen“. Erfreulicherweise besteht nun auch die Möglichkeit auf der ArthroskopieRegister-Homepage alles im Detail anzuschauen.

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Qualitätsmanagement und Entwicklung RF in der Schulter-/Gelenkchirurgie​

„Qualität selbst ist kein Zufall, sondern harte und stetige Arbeit. QM ist Teamarbeit, das ist ganz wichtig.”, Dr. Benjamin Weinkauf

Dr. Benjamin Weinkauf geht zunächst auf die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses mit entsprechenden Tools und Methoden für die Umsetzung eines Qualitätsmanagements ein. Qualität sei kein Zufall, sondern harte Arbeit. Bei der Qualitätssicherung sieht er u.a. die Wahl des Instruments und des Implantats als wichtige Faktoren. Anhand des Beispiels COBLATION stellt er die Wertigkeit in der Versorgung von Patienten dar, denn dank des „Plasmafelds wird das Gewebe selbst wenig geschädigt“. Dazu habe das Scope-Sensing, das automatische Abschalten der Radiofrequenz bei Kontakt mit der Kamera zu einer „erheblichen Reduktion an Reparaturkosten bei den Kameras geführt.“ PD Dr. Ralf Müller-Rath betont die weit verbreitete Bedeutung von Sonden in der arthroskopischen Chirurgie, sieht jedoch eine Herausforderung durch die Streichung der Kostenerstattung durch Krankenkassen in Nordrhein-Westfalen. Er fordert ein Umdenken, um Kostendruck und Qualität besser in Einklang zu bringen.

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Umgang mit möglichen Fehlern in der Luftfahrtbranche​

Mark Roth, www.avimedconsulting.com

Eingangs bekräftig Captain Mark Roth, dass sich Erkenntnisse aus der Aviatik nicht 1:1 auf die Medizin übertragen lassen. Allerdings ist die gelebte Fehlerkultur dort vorbildlich. Er stellt dar, dass die EASA Member States, also die europäischen Fluggesellschaften, zwischen 2017 und 2022 im Bereich von Großraumflugzeugen keine Todesopfer zu beklagen hatten. Zurückblickend liege die Reduktion zwischen 1977 und 2007 bei 94%. Was sind die Gründe für diese deutliche Verbesserung? Ausbildung, Training, Simulation, Zertifizierung, Standardisierung und Harmonisierung von Prozessen – SOP: all das seien laut Mark Roth ausschlaggebende Faktoren. „In der Trainings-Umgebung von Simulatoren sind Fehler nicht nur erlaubt, sondern sogar erwünscht.“ Dazu gehören dann die Reflexion und das Feedback, so Mark Roth. Er fragt ins Auditorium „Wie reagieren Sie, wenn Ihr Oberarzt zu Ihnen kommt und sagt: Ich habe ein Problem kreiert.“ Für ihn ist es genau diese psychologisch sichere Umgebung, „die wir unseren Kolleginnen und Kollegen schulden, damit eben der Fehler abgebrochen wird“. Kernkompetenzen seien hier Kommunikation, Leadership und Monitoring. Gemeinsam mit weiteren Kollegen hat Mark Roth dazu ein Leadership Programm entwickelt. Mehr Informationen finden Sie unter: www.medLead360.ch

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Highlights aus der Diskussionsrunde: Was kann die Medizin von der Luftfahrt lernen?​

„You set the table: Es ist extrem wichtig, eine Umgebung zu schaffen, in der die Leute sich trauen, Fehler anzusprechen.“, so Mark Roth.

PD Dr. Ralf Müller--Rath: „Was denkt denn der Captain, der wirklich auch in der medizinischen Materie drin ist, was wir besser machen können?“

Mark Roth: Ich glaube, das Thema ist Kommunikation. Ja, ich denke schon, dass wir das in der Klinik vorleben. Als Vorstände einer Klinik, als Chefarzt, das leben wir vor. Wenn mir ein Fehler passiert, dann rede ich über das. Das Exempel zu statuieren, das ist extrem wichtig in einem solchen Fall.“

Dr. Benjamin Weinkauf: „Qualitätsmanagement ist wichtig, die Fehlerkultur ist wichtig…zwar ist die Medizin bereits auf einem hohen Niveau und wird unter dem Strich immer besser, aber sicher kann sie an der einen oder anderen Stelle aus anderen Bereichen wirklich viel lernen.“ 

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Historical development of minimal-invasive knee surgery and relevance for physicians and patients

Dr. Richard Glaab stellt die Anfänge und Entwicklung der Knie-Arthroskopie dar: in den 1960er Jahren erlernte Robert Jackson aus Toronto die Knie-Arthroskopie bei Dr. Watanabe, Japan, dem “Vater der Arthroskopie” und brachte die Erkenntnisse zurück in die westliche Welt. Die deutsche Medizintechnik trug dann mit der Entwicklung modernen Arthroskope zur Weiterentwicklung bei. Mit der Gründung der AGA - heute die größte europäische Fachgesellschaft für die Arthroskopie – war dazu die Plattform geschaffen Ansätze, Erkenntnisse auszutauschen und die Arthroskopischen Interventionen kontinuierlich zu verbessern und optimieren.

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Significance of the meniscal repair as part of the arthroscopic joint surgery​

„Seit 2019 haben wir gelernt, dass Teilresektionen problematisch sind. Studien zeigen, dass der Erhalt des Meniskusgewebes, selbst bei schwer zu reparierenden Rissen, vorteilhaft ist. Einmal verlorenes Gewebe kann nicht wiederhergestellt werden, und der Erhalt des Meniskus führt zu weniger Knorpelschäden und einer höheren Patientenzufriedenheit.“, So Prof. Sven Scheffler.

Prof. Sven Scheffler stellt eindrücklich die Entwicklung des Umgangs mit Meniskusrissen und die Bedeutung für Patienten dar. Laut ihm können auch vermeidlich kleine Läsionen am Meniskus zu vollständigem Funktionsverlust führen. Gerade bei jungen Patienten gilt es nun, dessen Funktion über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten. Prof. Sven Scheffler erinnert sich: „Es war in den USA, 97: Ich musste nach Boston und sie schickten mich zu einem Kollegen, Charlie Brown. Und er nahm mich mit auf eine Party und die Party war eigentlich die Einführung der ersten FAST-FIX-Generation.“ Über die letzten Jahre habe er gesehen, wie sich diese Systeme verbessert haben. Warum? „Denn alle Menschen, die hier sitzen, versuchen, ihr Wissen einzubringen. Wir haben nachgerechnet. Wir fassen die Daten zusammen, um ihnen schließlich die Informationen zu geben, die sie benötigen, um das Werkzeug, das wir tatsächlich verwenden, erneut zu verbessern, um bessere Ergebnisse zu erzielen“.

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Round Table Diskussion mit einem professionellen Basketballspieler, Ervin Cogo​

der über seine persönlichen Erfahrungen und die Relevanz einer arthroskopischen Knieoperation für Leistungssportler reflektiert. Ervin Cogo, 31 Jahre alt (geboren 1993 in Skopje, Mazedonien) ist ein professioneller Basketballspieler, heutzutage im 3x3-Basketball.

Er hat eine beeindruckende Vita:

  • 4-mal bester mazedonischer Spieler
  • erster mazedonischer Spieler auf der World Tour (Paris 2022, Team Athen)
  • zählt 6 Trophäen: 3xMazedonischer Meister, 2xSerbischer Meister und 1x Schweizer Meister

Warum unterzog sich Ervin einer OP am Meniskus?

Bei einem Turnier im vergangenen Jahr erlitt er seine erste große Verletzung. "Nach dem Turnier habe ich gemerkt, dass das Knie blockiert war“. Eine Woche später ging er zum Arzt und entschied sich für eine Operation, anstatt einer konservativen Behandlung. Auch wenn er von anderen Spielern gehört hatte, dass sie nach der OP nie wieder in den Profisport zurückkehren konnten, war er sich von Anfang an sicher, dass alles gut gehen würde. Und es ging alles gut: Noch früher als erwartet (und von seinem behandelnden Chirurgen empfohlen) kehrte er zum Sport zurück. Für ihn fühlt sich sein Knie an wie immer: nur dass er jetzt noch mehr aufs richtige Aufwärmen achtet.  

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